Gedanken zu Weihnachten

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Warum Rituale so wichtig sind

Weihnachten steht vor der Tür: für viele die schönste Zeit im Jahr. Die Adventszeit erreicht mit Weihnachten, dem Hochfest der Geburt Jesu Christi, ihr Ziel und ihren Höhepunkt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nicht primär die Kirchen, sondern vermehrt Experten, quer durch alle wissenschaftliche Disziplinen, die Bedeutung von damit verbundenen Ritualen betonen. In Zeiten des relativen Individualismus sehen Experten die Gefahr, dass durch den Bedeutungsverlust der Kirchen das kollektive Miteinander einer Gesellschaft unumkehrbar verloren geht. Und damit Identität, Humanität und psychische Stabilität einer ehemals christlichen Kulturgesellschaft. Mit anderen Worten: Wir schaffen uns ab, wenn wir alles abschaffen und nur noch uns selbst-verwirklichend genügen. Das lässt aufhorchen!

Rituale schaffen Identität und Gemeinschaft

Rituale bieten Ordnung und Struktur in sich ständig wandelnden Zeiten. Besonders für die Entwicklung von Kindern sind Rituale wichtig, denn wiederkehrende Routinen geben ihnen Sicherheit. Eine Meta-Analyse der University of Illinois ergab, dass insbesondere die Rituale der Advents- u. Weihnachtszeit für die Gesellschaft einen heilsamen Einschnitt im Jahreslauf darstellen. Sie helfen uns, aus dem Alltag auszubrechen und das rational oft unterdrückte Zauberhafte und Unbekannte in unserem Leben wieder zu entdecken. Die Sehnsucht von Frieden und Harmonie, die viele Menschen mit Weihnachten verbinden, lässt die grauen Alltagsprobleme in den Hintergrund treten. Dies sei psychologisch gesehen heilsamer, als jede noch so gutgemeinte Therapie, so die Studie.

Wiederkehrendes Alleinstellungsmerkmal

Ein Kirchenjahr schafft feste Rituale und heilsame Wiederkehr von Sinnstiftendem. Ob Adventskränze, Basteleien, Backen, Roratemessen, Adventsfeiern, Adventskalender, altbekannte Lieder, Geschichten und Melodien, Samichlaus und Schmutzli, Weihnachtsmärkte, Glühwein, Lichterglanz, bewusstes Familienleben, das gemeinsame Essen, besinnliche und stille Momente, Besuche von Verwandten und Freunden, Caritas und Hilfe für Menschen in Not, Wunschzettel, Grusskarten, der Christbaum und die Krippen, das Friedenslicht von Betlehem, das Krippenspiel im Familiengottesdienst und die nächtliche Mitternachtsmesse am Heiligen Abend oder das Hochamt mit einer festlichen Orchestermesse an Weihnachten selber: «Weihnachten hat ein Alleinstellungsmerkmal», meint der bekannte Kölner Psychologe Peter Groß. In der Forschung lässt sich zwischen sozialen Ritualen, die grössere Gruppen betreffen, und individuellen Ritualen unterscheiden. Die Traditionen rund um Advent und Weihnachten sind besonders verbreitet und wirken aussergewöhnlich heilsam auf die kollektive Gemeinschaft. Dabei sind die Wiederholungen wichtig. Wer z. B. beim Sport immer wieder einen Bewegungsablauf trainiert oder beim Musikunterricht Tonleitern übt, erlebt dies nicht nur als monoton - er merkt irgendwann, wie sich das scheinbar Ewiggleiche verändert, verbessert und zur gekonnten inneren Routine entwickelt, die Selbstbewusstsein und Sicherheit stiftet. Genau dies ist der Sinn eines immer wiederkehrenden Kirchenjahres mit seinen Ritualen und Liturgien, die wir einmal als Kind, dann als Erwachsener und irgendwann in hohem Alter ganz individuell erfahren.

Entlastung für das Grosshirn

Gerade die Generation X, also die 38- bis 53-Jährigen klagen nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) über einen Mangel an Stunden der Entschleunigung. Zwischen Arbeitsalltag, Familie und Hausarbeit bleiben dieser Gruppe demnach durchschnittlich nur 1,4 Stunden an täglicher Freizeit. Hier können Rituale heilsam sein. Regelmässigkeit kann helfen. Der Mensch funktioniert offenbar, indem er sich selbst feste Zeitpunkte setzt. Dies war früher das Morgen- u. Abendgebet sowie der sonntägliche Kirchgang. Wer z. B. jeden Tag um Punkt 11 Uhr einmal aufsteht, aus dem Fenster schaut und durchatmet, wird irgendwann nicht mehr darüber nachdenken, ob und wann er einmal aufstehen sollte. «Die Verankerung im Gedächtnis hat den Vorteil, dass ich mir die Handlungsketten nicht merken, nicht nachdenken muss», erklärt Groß. «Das entlastet das Grosshirn enorm. Rituale wirken stressabbauend und gesundheitsfördernd».

Rituale ohne Sinn sind sinnlos

Wenn Rituale jedoch ihren Sinn verloren haben, werden sie sinnlos: «Wer z. B. nur zur Kirche geht, weil die Nachbarn sonst lästern oder die Eltern einen mitschleppen, für den wird ein Gottesdienst zur lästigen Pflicht. Wer nur Sport macht, weil er muss, verliert die Freude und den Sinn am eigenen Tun». Aus psychologischer Sicht sei es sinnvoll, Rituale bewusst zu erleben. «Der Stimmung um Weihnachten kann man sich kaum entziehen», beobachtet Gross. «Jeder, ob religiös oder nicht, scheint mit dem Fest beschäftigt zu sein. Wenn man sich aber bewusst einmal auf den theologischen Gehalt des Festes einlässt, dann kann man etwas vom tieferen Sinn von Weihnachten erfahren. In einer Wissensgesellschaft in der die Toleranz allgemein gross geschrieben steht, müsste dies auch leicht für das Christentum möglich sein».

Alte Rituale in einem neuen Licht

Hier bietet sich doch für die Kirchen ein ganz neuer Horizont der Möglichkeiten. Die Kirche als Partner des Menschen - ob religiös oder nicht. Wer heute Weihnachten feiert, knüpft meist ohne es zu wissen an uralte Traditionen an, dessen Anfänge im Dunkel der Geschichte verschwinden. Doch der Geist von Weihnachten, der Wunsch nach Frieden, wurde all die Jahrhunderte bewahrt und lebt bis heute weiter. Dafür ist Gott Mensch geworden – das Ist der Sinn im Ritual.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien gesegnete und harmonische weihnachtliche Festtage mit vielen heilsamen Begegnungen und Ritualen. Vergessen wir in diesen Tagen auch unsere alleinstehenden Mitmenschen nicht. Unsere Kirchen sind offen – unsere Herzen noch mehr!

Dekan Pfr. Kurt B. Susak, Kath. Kirche Davos

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