«Kirche ist Weggemeinschaft im Glauben»

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Seit zehn Jahren ist Kurt Benedikt Susak als Dekan und Pfarrer in der katholischen Pfarrei tätig. Im Interview mit der Davoser Zeitung erklärt er unter anderem, wie sich das Kirchengeschehen in der letzten Dekade verändert hat, und welche Herausforderungen in den nächsten Jahren auf die katholische Kirche warten werden.

DZ: Sie sind nun 10 Jahre als Pfarrer in Davos tätig. Wie gut können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag erinnern?
Kurt Susak: Sehr gut. Es war der 1. August 2010, der Nationalfeiertag, mit einer Festmesse und vielen Begegnungen. Nach meiner Vikarszeit in Arth-Goldau–Lauerz war Davos nach der Wahl durch die Davoser Pfarrwahlkommission meine erste Pfarrei, in der ich Hauptverantwortung trug. So einen Schritt im Leben vergisst man nicht.


Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus, und gab es Höhepunkte?
Da gibt es wirklich viele. Mein Motto ist ja, «lebe jeden Tag als wäre es dein erster, dein einziger und dein letzter». Von daher erlebe ich jeden Tag mit all seinen Facetten sehr bewusst. Höhepunkte beim inneren Aufbau der Gemeinde sind für mich jeweils die sonntäglichen, gut besuchten Eucharistiefeiern, dann das 100-Jahr-Jubiläum der Herz-Jesu-Kirche, Pontifikalmessen mit Kardinälen und Bischöfen, unsere Schweizergardisten, viele Pfarreifeste sowie die Offenheit und Bereitschaft vieler, besonders auch der Jugend, mitzumachen und dabei zu sein. Das ist in Davos irgendwie einmalig. Dann sicher auch die persönlichen Begegnungen mit Papst Franziskus. Vor allem aber sind es diverse sehr innige und
emotionale seelsorgliche Augenblicke, in denen Menschen angerührt werden und einen wesentlichen Schritt in ihrem Leben vollziehen können. Ob ältere oder jüngere Menschen, spielt dabei keine Rolle. Ich bin für alle da. Ich hatte hier unbeschreiblich schöne Momente, die auch mich tieft berührten, und wo ich dann spüre: «Deswegen bist du Priester geworden»! Was wir, und das betone ich, in einem wunderbaren Team von Mitarbeitenden wohl geschafft haben, ist, dass Kirche wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit getragen wurde. Das ist notwendig und auch legitim. Denn eine so grosse Pfarrei wie Davos es ist, mit so vielen engagierten Gemeindemitgliedern, hinterlässt Spuren und leistet einen wertvollen Beitrag für das Allgemeinwohl. Von daher muss ich mich nicht schämen, mit Leib und Seele katholisch zu sein. Dies aber in herzlicher Offenheit und nicht in düsterer Missionsabsicht. Was den äusseren Aufbau betrifft, haben wir auch hier im Mitarbeiterteam Herausforderndes gemeistert. Alle drei Kirchen wurden renoviert, ein neues Pfarreizentrum mit Pfarrhaus und betreutem Wohnen erbaut, der Papst-Benedikt-Altar in der Tschuggenkapelle erworben, die Orgel der Marienkirche erweitert usw. Aber was nützt die schönste Kirche, wenn sie leer bleibt?


Wie beurteilen Sie die Entwicklung der katholischen Kirche sowie die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen in den letzten zehn Jahren?
Eine Aufgabe am Anfang war es, die ganze Landschaft Davos zu einer homogenen Pfarrei und Organisationsstruktur zusammenzuführen. Das war herausfordernd, denn der Schiabach fliesst immer noch. Es ist uns sicher gelungen, wieder mehr Menschen für das Pfarreileben und für Fragen des Glaubens zu gewinnen. Junge Familien und Jugendliche allgemein sind die Zukunft. Dabei musste ich oft unkonventionelle Wege gehen. Die Menschen aufsuchen und nicht abwarten, bis jemand kommt.Davos bietet sehr viele Begegnungsmöglichkeiten, angefangen bei der Ex-Bar bis zum WEF. Nur wenn man mitmacht, dabei ist und als Priester erkennbar offen auf die Menschen zugeht, entwickeln sich nachhaltige Kontakte, die zum Türöffner für vieles andere werden können. Das ist oft mit viel Zeit und Engagement verbunden, aber es lohnt sich. Hier ist das Zölibat sicher vorteilhaft, da man frei ist und nicht punktgenau bei der wartenden Familie sein muss. Davos empfinde ich als liberal und weltoffen. Dies erlebe ich auch mit Gläubigen der reformierten und freikirchlichen oder auch der jüdischen Gemeinden. Auch die AKiD bietet ein wunderbares Gefäss für den gemeinsamen ökumenischen Austausch. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden kommt es oft auch auf Sympathien an, und manchmal darauf, sogenannten «antikatholischen Affekten» zu begegnen. Aber ich nehme jeden so, wie er ist, und mache möglich, was möglich ist. Das ist dann eben mehr oder weniger. Wenn dann aber reformierte Gläubige zum Beispiel wünschen, dass der katholische Pfarrer in der reformierten Kirche eine Abdankung eines Reformierten feiert, dann denke ich, ist das doch ein sehr positives Zeichen des Miteinanders. Das wäre vor 20 Jahren sicherlich nicht möglich gewesen.


Welche Herausforderungen warten in den nächsten Jahren auf die katholische Kirche Davos?
Entscheidend ist immer, dass Kirche mehr ist als menschliche Gemeinschaft und Interessenbedürfnis. Kirche ist konkrete Weggemeinschaft im Glauben. Im Zentrum steht nicht der Priester oder sonst jemand, sondern der, für den der Priester steht: Jesus Christus! Wenn es gelingt, dies im Bewusstsein einer Kirchgemeinde lebendig zu erhalten, dann geht es nicht um Befindlichkeiten, Animositäten, Personen und Aktionen. Dann ist die Gemeinde selbst mündige Trägerin der Kirche vor Ort, weil sie weiss, wer und was der Grund der Freude am Glauben ist. Wo dieses Bewusstsein fehlt, Kirche nur noch Ess- und Trinkzusammenkünfte sind, Orte für Konzerte, Kunst und Geschichten aus dem Leben, wo die Leichtigkeit des Seins fehlt, der Humor und der gesunde Menschenverstand, da wird Kirche bürokratisch, leer, und es kommt niemand mehr. Zu Recht! Wir können die Menschen nicht für dumm verkaufen.


Wo sehen Sie sich in zehn Jahren: Immer noch als Pfarrer von Davos oder eher als Bischof an einem anderen Ort?
Als Bischof ? – Halleluja! Ich betrachte dies als feinsinnigen Humor. Bischof sein ist in der heutigen Zeit ein aussergewöhnlich herausforderndes Amt. Im Bistum Chur wohl doppelt. Ein Priester, das ist meine feste Überzeugung, plant nicht. Er lässt sich senden. Gott weiss ganz genau, wen er wo und wann haben will. Wer nur selbst plant und sich Arbeitsstellen penibel aussucht, erleidet oft Schiffbruch, da sein Wille, aber nicht der Wille Gottes zum Zug gekommen ist. Hier in Davos und im Dekanat fühle ich mich äusserst wohl und angenommen. Und dennoch: Es tut mir und einer Pfarrei immer wieder gut, wenn es nach Zeiten der Kontinuität einen Wechsel gibt, der wiederum Kontinuität herstellt. Warum? Kein Pfarrer kann allen Alles sein kann. Das ist ganz normal. So ist es seit 2000 Jahren: Pfarrer kommen und gehen – aber einer bleibt derselbe – Jesus Christus. Um IHN geht es. Ich bin sehr gerne hier und bleibe solange, bis ich erkenne, dass die Zeit gekommen ist.

Wo sehen Sie die Kirche in zehn Jahren?
Die katholische Kirche allgemein erfährt ja weltweit ein enormes Wachstum. Das übersehen wir hier oft, weil wir andere Informationen wahrnehmen. Wenn es auch Straftaten wie Missbrauch durch Amtsträger der Kirche gibt, so weiss doch jeder vernunftbegabte Mensch, dass dies nicht die Kirche, sondern unverzeihliche Einzelfälle sind, die es leider überall in der Gesellschaft gibt. Die Kirche wird aber immer Kirche bleiben, weil sie in ihrer Kernbotschaft ein unauslöschliches Alleinstellungsmerkmal beinhaltet. Wenn es um die Kirche hier in der Schweiz geht, dann bin ich mir sicher, dass es wohl zwei Formen von Kirche geben wird. Jene Gemeinden, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, werden zu Zentren im Glauben aufblühen, weil es hier um den Kern des Glaubens geht. Stattdessen werden andere Gemeinden, denen die innere Kraft verloren gegangen ist, sterben. In diesen Kirchen werden vielleicht noch Beerdigungen, Konzerte und einzelne gesellschaftsrelevante Feste stattfinden. Aber Kirche im eigentlichen Sinn nicht mehr. Und hier sind wir von der katholischen Pfarrei Davos hoffentlich weiterhin gemeinsam auf dem richtigen Weg.

Die Pfarrgemeinde dankt
«Wir möchten wir Dir, lieber Kurt, von Herzen danken. Einen solchen Pfarrer, der seine Berufung mit allen Fasern seines Herzens lebt und für alle Menschen da ist, findet man nur sehr selten. Wir hoffen, dass Du unserer Pfarrei Davos noch sehr, sehr lange erhalten bleibst und gratulieren Dir von Herzen zum 10-JahrPfarrjubiläum und wünschen Dir Gottes Geist, Schutz und Segen für Dein weiteres priesterliches Wirken».


Es wird gefeiert
Am Sonntag, 20. September, wird um 10.15 Uhr in der Marienkirche zum Bettag ein festliches Hochamt als FamilienKindermesse mit der Musikgesellschaft Davos-Klosters und dem Jodlerchörli Parsenn stattfinden. Bei der Festmesse wird das 10-Jahr-Pfarrjubiläum von Pfarrer Susak gefeiert. Dazu hat die Gemeinde Davos via Schutzkonzept ermöglicht, dass die Kirche voll besetzt werden kann. Es besteht keine Registrier- und Abstandspflicht. Stattdessen sind alle Gottesdienstbesucher gebeten, mit Mund Nasenschutz (Maskenpflicht) teilzunehmen.

Davoser Zeitung vom 15. September 2020

Pascal Spalinger

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