Es stimmt. Dass Christus wirklich da ist, ist der Grund, Sonntag für Sonntag, Tag für Tag, bis zu jenem Tag, an dem, wie wir im Credo bekennen, Christus wiederkommt, Eucharistie zu feiern – Danksagung, von griechisch ‘Eucharistía’. D.h. die Gläubigen danken Gott dafür, dass er sich hingegeben hat und hingibt - in seinem Sohn; und dass er Gemeinschaft gestiftet hat und stiftet -mit sich und unter uns - in der heiligen Kommunion.
Dieses ‘echte Dasein Gottes’ (nicht nur in Gedanken und Worten z.B. der Hl. Schrift, oft genung abhängig von meinen Empfindungen und Gefühlen) geschieht wiederum durch ihn selbst, immer dann, wenn durch einen geweihten Priester die Einsetzungsworte gesprochen werden und der einzelne Gläubige sie annimmt. Dies bedeutet: ER ist es, der handelt und wandelt - auf der einen Seite Brot und Wein, zu Leib und Blut seines Sohnes, auf der anderen Seite uns.
Was ER wandelt, ist das Wesen/die Substanz, nicht die Materie/die Akzidenz. So bleibt z.B. das Brot ‘materiell’ Brot. Sein Wesen dafür ändert sich, wird zu Christus. Und wer IHN sich in dieser Gestalt ‘einverleibt’, wird aufs Engste mit IHM verbunden und ebenfalls verwandelt. Der vollzieht den Willen des Herrn „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ und „Ich bin das lebendige Brot des Lebens. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm“.
Die Theologie spricht deshalb hier von der sog. Wesensverwandlung (Trans-Substantiation). Weil theologisch gesehen diese Wandlung dauerhaft ist, bleibt das Brot ‘wesentlich’ Christus und wird deshalb im Tabernakel aufbewahrt - im ‘Zelt Gottes unter den Menschen’, der der Mittelpunkt einer jeder Kirche darstellt.
Von seinem Ursprung her ist dieses Zelt „Gottes Heimstätte auf Erden“. In ihm wurden die Gebotstafeln Moses (als Allerheiligstes) aufbewahrt und auf den Wanderungen des Volkes Israel mitgeführt, bis sie schliesslich im Tempel von Jerusalem „im Allerheiligsten“ ihren würdigen Aufbewahrungsplatz fanden. Sehr beeindruckend ist dieses „Allerheiligste“ im Tabernakel unserer Davoser Marienkirche dargestellt. Über dem Tabernakel, dem Allerheiligsten, ist die Kuppel des Jerusalemer Tempels dargestellt und verweist auf das Allerheiligste des alten und neuen Bundes sowie auf die künftige Herrlichkeit im himmlischen Jerusalem.
Neben diesem ‘Rückgriff’ also, ist ein Tabernakel immer auch ein ‘Ausblick’ - weil er Bezug auf das ewige und kommende, das himmlische Jerusalem nimmt. Um es in den Worten der Offenbarung (21,3) zu sagen: Ein Tabernakel ist „das Zelt Gottes bei den Menschen.“ – Und was heisst das alles im Zusammenhang mit Fronleichnam?
Fronleichnam erhielt seinen besonderen Charakter durch die Prozession. Denn: Zum Ende des Osterfestkreises symbolisiert sie den christlichen Lebensvollzug, das gläubige „wallen und pilgern“, das Ziehen des Gottesvolkes durch die Zeit, dem ewigen Vater entgegen. Es ist die Heimkehr der Kinder Gottes in das Himmlische Jerusalem. Und das Schöne daran ist sozusagen das Schöne darin, also Christus selbst: Weil er selbst in „Gestalt der konsekrierten Hostie“ durch die Strassen unserer Stadt mitzieht. Mit anderen Worten: Gott wird hier sichtbar, indem er das Heilige/Fanum verlässt und sich in das hineinbegibt, was sich ‘davor’ befindet, das Profane.
Dass er das tut - auf uns zugeht - dafür spricht schon sein Name: Ich-bin-der-ich-bin-da (von hebräisch, Jahwe). Wie, das sagen uns die mittelhochdeutschen Worte ‘Vrône lîcham’: Nämlich ‘in des Herren Leib’, getragen in der Monstranz, begleitet vom ‘Tragehimmel’. – Der Letztere ist das ursprünglich himmlische Zeichen seiner Herrschaft wenn sein Reich kommt. Die Erstere will zeigen, de-monstrieren. Folglich lautet die Frage an und mit Fronleichnam?
Lasse ich mich darauf ein, dass Christus sich mir selbst wirklich zeigen will? Schaffe ich es zuzulassen, dass ER mein Leben beherrscht? Nehme ich IHN an und in mir auf, so dass ER durch seine Wandlung auch mich verwandelt? Und wie geht das? Indem ich mitziehe, ja mich von IHM mitziehen lasse - jeden Sonn/Tag und besonders an einem Fest wie Fronleichnam; und derart, dass ich mich an IHM orientiere – an seinen Geboten und seinem Leben.
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Bilder: Beate Rückert